Die massive Störung des Gedenkens am Mahnmal für die inhaftierten Kinder- und Jugendlichen im ehemaligen Durchgangsheim Bad Freienwalde am letzten Freitag soll nach Forderungen des Opfer- und Aufarbeitungsvereins "Kindergefängnis Bad Freienwalde" ein Nachspiel im Brandenburger Landesparlament haben. Eine entsprechende "Protestnote" wegen "Störung des Gedenkens unter maßgeblicher Beteiligung eines Landtagsabgeordneten" wurde am Donnerstag, dem 12. Januar 2023 in einer außerordentlichen Vorstandsitzung des Vereins einstimmig verabschiedet.
Bei einem Besuch der Brandenburger Bundestagsabgeordneten Annalena Baerbock zusammen mit ehemaligen Insassen und Vertretern der Brandenburger Landespolitik wurde das Niederlegen einer weißen Rose am Mahnmal durch einen "aggressiven Mob" gestört. Zu der Gruppe der Störer gehörte auch ein Abgeordneter der rechtspopulistischen AfD-Fraktion im Brandenburger Landtag, der über seinen Facebook-Account zur Teilnahme an diesem Termin aufgerufen hatte. Die Teilnehmer des Gedenkens wurden mit einer laustarken Geräuschkulisse mit Pfiffen und "Haut ab"-Sprechchören empfangen. Auf Plakaten wurde die Forderung "an die Ostfront" aufgemacht. Aus Kreisen der Demonstranten wurden die ehemaligen Insassen zudem als "Asoziale" diffamiert. Das Gedenken konnte nur unter bewaffneter Polizeibegleitung mit schusssicheren Westen gewährleistet werden.
Die Brandenburger Bundestagsabgeordnete Annalena Baerbock besuchte am 6. Januar 2023 gemeinsam mit ehemaligen Insassen das DDR-Kindergefängnis in Bad Freienwalde. Begleitet wurde sie von der Bundesbeauftragten für die Opfer der SED-Diktatur Evelyn Zupke, der Brandenburger Landesbeauftragten zur Aufarbeitung der Folgen der kommunistischen Diktatur Dr. Maria Nooke, der bündnisgrünen Landtagsabgeordneten Sahra Damus, dem Staatssekretär des Innenministeriums Brandenburg Dr. Markus Grünewald und der Leiterin des Cottbuser Menschenrechtszentrums Heide Schinowsky. Auf dem Gelände des ehemaligen "Durchgangsheimes" in Bad Freienwalde befindet sich heute das Polizeirevier Bad Freienwalde. Im Andenken legten die Teilnehmer*innen eine weiße Rose an dem 2017 errichteten Mahnmal nieder.
"Sie hat Wort gehalten und ihr Versprechen eingelöst, sich mit unserem Anliegen auseinanderzusetzen und sich den Ort unseres Leidens einmal persönlich anzusehen", sagt Roland Herrmann, Vorsitzender des Vereins "Kindergefängnis Bad Freienwalde". Mit Annalena Baerbock hat erstmalig ein Mitglied der Bundesregierung sich das ehemalige Kindergefängnis angeschaut. "Sie war sehr empathisch und hörte uns vor allem zu. In Zeiten, in denen sich andere Politiker oftmals am liebsten selber reden hören, war es ihr wichtig, von unseren Erlebnissen zu erfahren", sagte Herrmann.
Hier mal eine interessante Internetseite mit "Hörstücke über das Durchgangsheim Bad Freienwalde". Klickt unten auf den Button, um die Seite aufzurufen.
Kennen Sie die Polizeistation in der Adolf-Bräutigam-Straße 4 in Bad Freienwalde?
Zwischen 1968 und 1987 befand sich auf dem Gelände der heutigen Polizei ein Durchgangsheim. Die Kinder, die man hierherbrachte, wussten häufig weder den Grund für ihre Einweisung noch an was für einen Ort man sie gebracht hatte. Hier würde sich ihr weiteres Schicksal entscheiden. Das Durchgangsheim war kein Ort des Schutzes und der Fürsorge. Wer das Haus verließ, nannte es nicht mehr Heim, sondern Kindergefängnis. Unsere Ausstellung zum Zuhören erzählt Ihnen, warum.
Wie Jugendliche zu Stasispitzeln wurden.
Grit Poppe - Verraten
Dressler Verlag, 2020
336 Seiten, 12 Euro
Wie Jugendliche zu Stasispitzeln wurden. Die Betroffenen haben aus Scham viele Jahre lang geschwiegen. Jetzt erzählt die Autorin Grit Poppe in ihrem Jugendroman „Verraten“ die Geschichte von Jugendlichen, die von der DDR-Staatssicherheit rekrutiert wurden.
Grid Poppe im Interview "Wie Jugendliche zu Stasispitzeln wurden" Hier anhören: deutschlandfunkkultur.de