Am Landgericht Frankfurt (Oder) wird am 27. Juni 2019 mit dem Fall von Andre Pahl erstmals öffentlich ein Rehabilitationsverfahren eines ehemaligen Insassen des DDR-Kindergefängnisses Bad Freienwalde verhandelt. Neu ist auch, dass der Betroffene hierbei persönlich angehört und Zeugen zu den damaligen Geschehnissen befragt werden. Das ist ein Paradigmenwechsel: Bisher wurden die Verhandlungen nach Aktenlage, ohne persönliche Anhörung und ohne Zeugenbefragung durchgeführt.
Nach Informationen des Betroffenenvereins "Kindergefängnis Bad Freienwalde e. V." wurden bisher fast alle ähnlich gelagerten Rehabilitations-Anträge abschlägig beschieden. Die Urteile standen u. a. deswegen unter scharfer Kritik, weil sich die die Begründung nahezu ausschließlich auf Akten stützte, die von DDR-Behörden geführt wurden. Darin wurden die Kinder oft per se als Straftäter eingestuft; politische Hintergründe wurden in der Regel nicht aktenkundig. Bereits 2015 rügte das Bundesverfassungsgericht gravierende Fehler von Brandenburger Gerichten beim Rehabilitationsverfahren der ehemaligen Insassin von Bad Freienwalde Norda Krauel. Im darauf folgenden Revisionsverfahren wurde Krauel rehabilitiert.
Als einen "Meilenstein" bezeichnete der Sprecher des Vereins "DDR-Kindergefängnis Bad Freienwalde e. V." Roland Herrmann die nun erstmals öffentlich durchgeführte Verhandlung: "Endlich können wir persönlich vor Gericht über die skandalösen Bedingungen im DDR-Kindergefängnis berichten." Neben Pahl werden auch Herrmann und Krauel als Zeugen gehört.
Das frühere Gefängnis in Bad Freienwalde wurde 1968 der Jugendhilfe Frankfurt (Oder) zur Nutzung übergeben. Die Jugendhilfe machte es dann ohne Umbau, d. h. unter Beibehaltung des Gefängnischarakters, zum Durchgangsheim. Darin sollten Kinder und Jugendliche, die auf einen Heimplatz warteten, für maximal 18 Tage untergebracht werden. Diese Maximaldauer wurde jedoch nur selten eingehalten; viele Insassen waren unter unmenschlichen Bedingungen länger als ein halbes Jahr dort eingesperrt. Kontakte zur Außenwelt gab es nicht. Zudem war das Gebäude von einer hohen Mauer umgeben. Das jüngste eingesperrte Kind war 3 Jahre alt. Seit 2010 widmet sich der Verein "Kindergefängnis Bad Freienwalde e. V." der Aufklärung. Zusammen mit der Brandenburger Landtagsabgeordneten Heide Schinowsky (B90/ Grüne) wurden Infoveranstaltungen durchgeführt. Seit 2017 gibt es zudem ein Mahnmal vor dem ehemaligen Kindergefängnis in Bad Freienwalde. Seit 2018 ermittelt auch die Staatsanwaltschaft zu ungeklärten Todesfällen von Kindern und Jugendlichen, die während der Inhaftierung zu Tode gekommen sind.