Erstmalig werden die Ereignisse im ehemaligen „Kindergefängnis Bad Freienwalde“ in einer Ausstellung aufgearbeitet. Unter dem Titel „Lebenslänglich Heimkind“ werden auf Informationstafeln Hintergründe erläutert. In Video-Installationen berichten ehemalige Insassen über ihre ganz persönlichen Eindrücke aus dieser bedrückenden Zeit. Zu der Eröffnung der Ausstellung am 4. September im Bad Freienwalder Jugendclub „OFFI“ kamen über 50 Zeitzeugen, Interessierte und Vertreter der Politik zusammen. Neben den ehemaligen inhaftierten Kindern und Jugendlichen waren auch die Landesaufarbeitungsbeauftragte Dr. Maria Nooke, die Leiterin der Brandenburgischen Landeszentrale für Politische Bildung Martina Weyrauch, der Bad Freienwalder Bürgermeister Ralf Lehmann, sowie Heide Schinowsky, Parteiratsmitglied von Bündnis 90/Die Grünen Brandenburg, sowie die Landtagsabgeordneten Kristy Augustin (CDU) und Elske Hildebrandt (SPD) bei der Eröffnung.
Die Landesaufarbeitungsbeauftrage Maria Nooke wies darauf hin, dass es viele problematische Einrichtungen zur Kindererziehung in der DDR gab, aber wenig daran erinnert werde. Es sei ein „Meilenstein der Aufarbeitung“, lobte Nooke die Ausstellung der Kuratoren Karsten Herold und Jens Scherer vom Förderverein für demokratische Medienkultur. Vor dem Hintergrund der Einheitsfeiern in Potsdam mahnte Roland Herrmann, Vorsitzender des Opfervereins „Kindergefängnis Bad Freienwalde“: „Wir sind auch ein Teil der Geschichte. Auch nach 30 Jahren werden wir nicht müde, die Zustände anzuprangern. Das was wir erdulden mussten, darf sich niemals wiederholen“.
Nachdem die Kinder und Jugendlichen im damaligen Lager angekommen waren, befanden sie sich die ersten drei Tage in eine Einzelhaftzelle; erst danach wurden sie einer Gruppe zugeordnet. Die Räume waren mit Doppelstockbetten ausgestattet; die Fenster waren mit Gittern gesichert. Die Zellentüren waren mit schweren Schlössern versehen, die nur von außen geöffnet werden konnten. Es gab in den Zellen keine Toilette – dort befand sich lediglich ein einfacher Eimer mit Deckel. Waschmöglichkeiten waren nicht vorhanden, berichtete Herrmann. Ein Beleg, dass es sich mitnichten um ein normales Kinderheim gehandelt habe, präsentierte an dem Tag Rainer Buchwald vom Verein der Opfer des Stalinismus (VOS). In einem alten Telefonbuch von 1989 stand schwarz auf weiß: „Durchgangslager“ statt der verharmlosenden Bezeichnung „Durchgangsheim“. Buchwald überreichte Herrmann den Auszug in einem Bilderrahmen.
Die Ausstellung soll zukünftig verstärkt in die Jugendarbeit einbezogen werden. Schulklassen können anhand von den geschilderten Erlebnissen einen Einblick in dieses düstere Kapitel der DDR bekommen. Der Verein „Kindergefängnis Bad Freienwalde“ stellt dafür Zeitzeugen bereit. Interessierte Lehrkräfte können sich unter E-Mail Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! an den Förderverein wenden.
„Für die Einbindung in die Aufarbeitung der jüngeren Vergangenheit in den Schulen haben wir jahrelang gekämpft. Die DDR bestand mehr als nur aus Trabi und Aktueller Kamera“, sagte die Grünenpolitikerin Heide Schinowsky, die das Anliegen der ehemaligen Insassen seit Jahren unterstützt. Auch die Vorsitzende des Bildungsausschusses im Brandenburger Landtag Kristy Augustin begrüßte das Angebot, das Thema Schülerinnen und Schüler näher zu bringen. Der Bad Freienwalder Bürgermeister Roland Lehmann zeigte sich erfreut darüber, dass auch ein Schulleiter an der Eröffnung teilnahm.
4. September 2020 bis 16. Dezember 2021 Öffnungszeiten: Mo, Mi, Do 10-19 Uhr I Di, Fr 10-21 Uhr I Sa 13-18 Uhr
Das frühere Gefängnis in Bad Freienwalde wurde 1968 der Jugendhilfe Frankfurt (Oder) zur Nutzung übergeben. Die Jugendhilfe machte es dann ohne Umbau, d. h. unter Beibehaltung des Gefängnischarakters zum Durchgangsheim. Darin sollten Kinder und Jugendliche, die auf einen Heimplatz warteten, für maximal 18 Tage untergebracht werden. Diese Maximaldauer wurde jedoch nur selten eingehalten; viele Insassen waren unter unmenschlichen Bedingungen länger als ein halbes Jahr dort eingesperrt. Kontakte zur Außenwelt gab es nicht. Zudem war das Gebäude von einer hohen Mauer umgeben. Das jüngste eingesperrte Kind war 3 Jahre alt. Seit 2010 widmet sich der Verein "Kindergefängnis Bad Freienwalde e. V." der Aufklärung. Seit 2017 gibt es zudem ein Mahnmal vor dem ehemaligen Kindergefängnis in Bad Freienwalde. Seit 2018 ermittelt auch die Staatsanwaltschaft zu ungeklärten Todesfällen von Kindern und Jugendlichen, die während der Inhaftierung zu Tode gekommen sind.