Die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages Katrin Göring-Eckardt hat sich am Montag, den 10. Juli 2023 mit Vertretern des Verein "Kindergefängnis Bad Freienwalde" ausgetauscht. Der Besuch am Mahnmal vor dem ehemaligen Kindergefängnis war der Auftakt einer Tour quer durch Ostdeutschland zum Thema Demokratie der Vizepräsidentin. Begleitet wurde Göring-Eckardt von Angela Marquart (SPD) vom Betroffenenrat bei der Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs. Auch Cornelia Kurtz, Beraterin bei der Union der Opferverbände Kommunistischer Gewaltherrschaft (UOKG) und ehemalige Insassin von Bad Freienwalde, war mit vor Ort. Neben dem Gedenken an die Opfer wurde auch die Aufarbeitung nach 1990 sowie der Umgang mit dem Mahnmal angesprochen. Bei dem über zweistündigem Gespräch waren sich alle Beteiligten einig, dass die weitere Aufarbeitung zur DDR-Zeit immer noch nötig ist.
"Wir stoßen grade in Bad Freienwalde immer noch auf Vorurteile. Es scheint so, als ob die Stadt ihre dunklen Flecke in der Vergangenheit ausblenden möchte", berichtete Roland Herrmann, Vorsitzender des Vereins "Kindergefängnis Bad Freienwalde". Er und seine Vereinsmitglieder suchen auch gerne das Gespräch, insbesondere mit Jugendlichen. "Aus Bad Freienwalde haben wir jedoch noch nie eine Anfrage erhalten", so der Vereinsvorsitzende. Er bedauerte, dass die Atmosphäre in der Stadt regelrecht "vergiftet" sei. Erst im Januar dieses Jahres wurde das Gedenken am Mahnmal in Bad Freienwalde bei einem Besuch der Brandenburger Bundestagsabgeordneten Annalena Baerbock durch rechtspopulistische Demonstranten gestört. Katrin Göring-Eckardt begrüßte die Arbeit des Vereins: " Ihre wichtige Erinnerungsarbeit mahnt uns, demokratiefeindlichen Bestrebungen auch heute klar entgegen zu treten", sagte die Vizepräsidentin.
"Es war ein guter und wichtiger Austausch" resümierte Herrmann den Besuch und das Gedenken. Der Vorsitzende fand aber auch klare Worte: "Ein Problem ist der Anspruch und die Wirklichkeit. Es gab im Jahr 1992 eine Ehrenerklärung des Deutschen Bundestages. Damals hat der Bundestag eine Würdigung des Schicksals der Menschen beschlossen, denen durch die DDR-Diktatur Unrecht geschehen ist. Es hat fast 30 Jahre gedauert, bis wir endlich für unser Unrecht rehabilitiert worden sind. Hätten wir nicht vor 10 Jahre selber einen Opferverband gegründet, stünden wir heut immer noch vor dem Nichts. Trotz der Sonntagsreden aus der Politik wurden wir von Gerichten und der Verwaltung lange Zeit blockiert und hingehalten. Das sorgt nicht nur für Frust und Resignation, sondern untergräbt auch das Vertrauen in die Demokratie".
Im Anschluss traf sich der Verein am Donnerstag, den 13. Juli auch mit der Bundestagsabgeordneten Simona Koß (SPD) in Müncheberg um sich die Situation in Bad Freienwalde zu erörtern. "Wir sind immer für Gespräche offen. Unsere unsagbaren Erfahrungen mahnen uns, dass sich so etwas niemals wiederholen darf", sagte Herrmann
Das frühere Gefängnis in Bad Freienwalde wurde 1968 der Jugendhilfe Frankfurt (Oder) zur Nutzung übergeben. Die DDR-Jugendhilfe machte es ohne Umbau zum Durchgangsheim. Darin sollten Kinder und Jugendliche, die auf einen Heimplatz warteten, für maximal 18 Tage untergebracht werden. Diese Maximaldauer wurde jedoch nur selten eingehalten. Das jüngste eingesperrte Kind war 3 Jahre alt. Nach Umbaumaßnahmen wird das Gebäude seit 2017 als Polizeirevier genutzt. Seit 2017 gibt es ein Mahnmal vor dem ehemaligen Kindergefängnis in Bad Freienwalde. Der Verein "Kindergefängnis Bad Freienwalde" widmet sich seit 2010 der Aufklärung. Mittlerweile sind fast alle ehemaligen Insassen rehabilitiert worden.